Im
Rahmen der Berliner Art Week hat das Kunsthaus Dahlem in Zusammenarbeit mit dem
Künstler Stefan Draschan eine Fahrradtour durch Berlin organisiert. Die Strecke
führte durch mehrere Stationen. Erster Halt: das Kulturforum vor der
St.-Matthäi-Kirche. Dorothea Schöne, die die künstlerische Leitung des
Kunsthauses innehat, sprach über das Fahrradfahren selbst: Für Frauen war diese Fortbewegungsmöglichkeit
lange verpönt.
Es
ging weiter durch den Tiergarten. Stefan Draschan inszenierte hier ein
Kunstwerk. Der Fahrradaktivist fotografiert sich und sein Fahrrad an den
seltsamsten Orten in Berlin und Wien. Ziel ist es, ein politisches Zeichen zu setzen,
und zwar für das Fahrradfahren und gegen das Auto. Im Tiergarten suchte sich
Stefan Draschan einen Baum aus und kletterte kurzerhand vor allen Teilnehmern
mit seinem Fahrrad auf diesen; es entstand ein einmaliges Foto, welches sich in
eine ganze Reihe solcher Aufnahmen einordnet. Als ehemaliger Journalist widmet
er sich nun völlig seiner Kunst. Er testet E-bikes auf Touren, wie zum Beispiel
von Wien bis zur Côte d’Azur, und sucht auf seinen Strecken immer neue Motive.
Manche Orte kann man nicht mit dem Auto erreichen, und seine Fotos von
Autowracks sind ein Symbol für eine Gesellschaft, die durch das Technische verrottet.
Sich auf sein Fahrrad zu schwingen und Berlin einmal nur mit dem Fahrrad zu erleben, war einmalig und befreiend.
Dritte
Station: Europacenter. Autoabgase, Lärm, Hektik. Der Kontrast mit dem idyllischen
Tiergarten wirkte hier umso größer. Hier zeigte sich, welchen Kampf Stefan Draschan
in Angriff genommen hat: vielleicht eine Gesellschaft wach zu rütteln, die bald
vom Technischen „überrollt“ wird.
Letzte
Station vor dem Kunsthaus Dahlem war der Halensee, wo Dorothea Schöne von einem
ehemaligen Freizeitpark berichtete, dem „Lunapark“. Dieser war von 1909 bis
1933 Europas größter Vergnügungspark. Der Park enthielt alle Rummelattraktionen
der damaligen Zeit, wie eine Wasserrutschbahn, die im See endete, und als
besondere Attraktion ein Wellenbad, das von den Berlinern „Nuttenaquarium“
genannt wurde, weil sich hier die Damen den genießerisch am Beckenrand sitzenden
Herren in der neuesten Bademode präsentierten. Was damals noch ganz harmlos war,
ist heute ausgeartet. Die Vergnügungsparkkultur, welche eine schimmernde
perfekte Welt erschafft, wird zum Beispiel vom Künstler Banksy stark
kritisiert. Er hat in einer westenglischen Küstenstadt nahe Bristol einen
gruseligen Freizeitpark eröffnet, das „Dismaland“, eine Bezeichnung, die eine
Parodie auf die Disney-Freizeitparks. Neben Disney-Parodien und
Banksy-typischen Graffiti gehören auch akute politische Fragen unserer Zeit zum
Programm. So können Besucher in einem Wasserbecken zwei Flüchtlingsboote
steuern wobei eine Landung am Ufer jedoch unmöglich ist.
Diese
Fahrradtour hat auf ein Thema aufmerksam gemacht, das immer akuter wird: die
Medienwelt und die Hypertechnisierung vernichten zunehmend die schönen Orte,
zerstören die Umwelt, und immer mehr Kinder lernen fast nur noch diese Welt als
„Normale Welt“ kennen.
Amelie Fleury