Mittwoch, 8. Juni 2016

Einmal Gutsche, bitte!


Ein Gran Hoffnung ist in allen meinen Bildern”, hat der Berliner Künstler Joachim Gutsche einst gesagt und dabei die warmen Töne in seinen Ölgemälden vor Augen gehabt. Doch ein Gutsche wäre nicht ein Gutsche, wenn das freundliche Rot und Gelb in Werken wie “Der Hausfreund kommt mit Blumen” aus dem Jahr 1966 nicht einem wilden, schwarzen Wesen und damit einem ganz und gar bedrohlich erscheinenden Gesamtbild weichen würde.

Vielleicht ist das Zurücktreten der bunten Farben auf der Leinwand gleichsam ein reales Schwinden der Hoffnung eines Menschen, jemals wieder Vertrauen in sein Heimatland zu fassen, das ihm mehr als einmal Unrecht tat? Vielleicht. Denn wie so viele Fragen, bleibt auch diese in der Zurückgezogenheit eines ausschließlich für die Kunst lebenden Malers unbeantwortet. Über hundert Bilder hinterließ der 1926 in Zwickau geborene und 2012 verstorbene Gutsche – Bilder, die verstören, anhalten, anregen mögen, aber ganz sicher ein Zeitzeugnis der Staatlichen Paranoia des Kalten Krieges bieten.

Die DDR und Gutsche: Im Rückblick ließe sich wohl diese Phase im Leben des Künstlers vorsichtig als persönliches Un- und doch künstlerisches Glück für den damals jungen Maler aus dem Osten beschreiben. Nach der Ausbildung zum Technischen Zeichner wird Gutsche zur Marine eingezogen, gerät in englische Kriegsgefangenschaft, beginnt ein Studium an der Hochschule der Künste bei Hans Jaenisch und Hans Uhlmann – bis er eines verhängnisvollen Tages gutgläubig seinen Ostausweis an Kommilitonen verleiht, nichtsahnend, dass unter seinem Namen verbotene optische Geräte eingekauft werden. Unschuldig, plädiert Gutsche, Wirtschaftskriminialität, beharrt die DDR.

Was folgt, sind 26 Monate Gefängnis. 
Wer ihn weiterhin verfolgt, das sind die Stasi und der Verfassungsschutz.
Aufgrund unglücklicher Umstände glauben sie ihm nicht, kein Spion zu sein, weder für den Westen, noch für den Osten.
So fängt auch Gutsche an, niemandem mehr zu glauben. Flucht in die Isolation, in eine Zweizimmerwohnung in Charlottenburg und in die Kunst… 

Seine Biographie, deren Einfluss auf seine Psyche und die daraus resultierende Paranoia Gutsches finden sich in dem scheinbar impulsiven, düsteren, anthropomorphen Bildkosmos seiner Werke wieder: Zu einer angestrebten Dynamik des ganzen Bildes verzichte ich weitgehend auf eine Individualität von Menschen und versuche dem Objekt das Wesentliche zu geben”, beschreibt Gutsche seine Bilder im Herbst 1974. Sein exaltierter Malstil zeigt zerfließende Landschaften, ab und an Geschlechtsteile, und manchmal auch die Orientierungslosigkeit in einer Welt, der er den Rücken zugekehrt hat. 

Rätselhafte Motive, aber keine Hieroglyphen des Wahns“, meint der Tagesspiegel in Gutsches Nachruf dazu. Wir könnten Gutsches Kunst auch als eine Art Impfung betrachten, schreibt Jan Gerlach im Ausstellungskatalog des Kunsthaus Dahlem, als Impfung vor der permanenten Überwachung jedes Einzelnen auch heutzutage, Jahrzehnte nach dem Kalten Krieg.

Egal, wofür wir uns entscheiden, Gutsches Bilder, ihre Anonymität und Vielschichtigkeit ziehen uns in den Bann.



Unter dem Titel GEBROCHENE IDENTITÄT – Malerei der 1950er und 1960er Jahre von Joachim Gutsche sind gut ein Dutzend seiner Ölbilder und Zeichnungen derzeit in Ausstellungs-Kooperation mit dem Kulturforum Cottbus e.V in der Galerie des Kunsthaus Dahlems zu sehen - im selben Haus und ein Stockwerk tiefer sind auch die Skultpuren seines einstigen Lehrers Hans Uhlmann ausgestellt.

Bildquelle: Joachim Gutsche: Der Hausfreund kommt mit Blumen, 1966, Öl auf Leinwand, (c) Nachlass Gutsche

hallo liebe kunsthaus-freunde!


Aller Anfang ist zunächst eine weiße, leere Seite. Oder eine unbenutzte Leinwand, wenn wir uns einmal das Selbstbildnis im Studiolo (1579) von Lavinia Fontana vors Auge führen möchten. Mit gezücktem Zeichenstift sitzt sie dar, sich ganz der Idee, der inventio, als Mutter des darauf entstehenden Werkes hingebend.

Jahrhunderte später ist dieser Prozess immer noch derselbe: wir warten auf eine gute Eingebung. Zumindest was wohl das Schreiben betrifft, geht es angehenden Praktikanten im Kunsthaus Dahlem nicht viel anders.

Doch ähnlich wie in Jan Vermeers “Die Malkunst” (ca. 1666), indem der dort abgebildete Maler bereits einige blaue Pinselstriche auf die Leinwand gesetzt hat, füllt sich mein Word-Dokument langsam auch mit Buchstaben. Und die sind wichtig, denn möchte ich doch hier den Kunst-Blog meiner Vorgängerin, Amélie Fleury, weiterführen.

Wie Amélie habe ich mir zum Ziel gesetzt, Einblicke in das Kunsthaus Dahlem zu geben, Werke vorzustellen und manchmal einfach etwas über den bunten Alltag mit der Kunst zu schreiben. Als derzeitige Kunstgeschichtsstudentin freue ich mich über diese Aufgabe und bin gespannt, womit sich das ein oder andere weiße Blatt noch füllen wird.