In den Jahren 1971-72 wurde der große zentrale
Raum des ehemaligen Atelierhauses am Käuzchensteig in acht kleinere
Atelierräume unterteilt, um an KünstlerInnen vermietet zu werden. In unserer Reihe „Mitten im Atelier“ stellen wir einige
dieser KünstlerInnen vor.
„Vergessen Sie nicht,
dass Sie auf eigene Gefahr zum Bildhauer werden!“ – sagte der Kunstkritiker
Daniel-Henry Kahnweiler zu Ipoustéguy, bevor dieser sich als einer der
bedeutendsten europäischen Bildhauer seiner Zeit auszeichnete. Sein Werk
umfasst 612 Skulpturen und ca. 3000 Zeichnungen und ist in vielen Ländern präsent,
sei es im öffentlichen Raum oder in bekannten Museen. Jedoch wird sein Name in
Studien über moderne Kunst kaum erwähnt und sein Werk oft unterschätzt – hier lesen
Sie das Porträt eines spannenden Künstlers des letzten Jahrhunderts.
Ipoustéguy wurde 1920
in Dun-sur-Meuse (Frankreich) geboren. Im Gegensatz zu vielen damaligen
Künstlern hat er keine Kunsthochschule, sondern ausschließlich 1938 die
Abendkurse für Zeichen und Malerei von Robert Lesbounit besucht; danach hat er
autodidaktisch gelernt und gearbeitet. Nach seinem Umzug 1949 ins neue Atelier
von Choisy-le-Roi widmet er sich der Bildhauerei. Schnell findet er Zugang zur
Künstlergruppe „Salon de Mai“ sowie in die Galerie Claude-Bernard, mit der er
bis zum Anfang der 1980er Jahre zusammenarbeitet. Ab den 1960iger Jahren
etabliert er sich als wichtiger Künstler der Nachkriegsmoderne: Er bekommt eine
Reihe von öffentlichen Aufträgen, nimmt 1964 an Veranstaltungen wie der Documenta
III oder der Biennale Venedig teil und wird in vielen Museen ausgestellt. Seine
Arbeit wird u.a. durch den Bright-Preis 1964, den Grand Prix National des Arts 1977 und seine Mitgliedschaft in der Académie Française gewürdigt. 2001 wird
das kulturelle Zentrum Ipoustéguy in Dun-sur-Meuse eröffnet, in dem sich viele seiner
Werke befinden. 2003 kehrt er in seine Heimatstadt zurück und stirbt drei Jahre
später in Doulcon (Frankreich).
Ipoustéguys Kunst ist
keine dekorative, sondern eine komplexe, gewalttätige, gequälte Kunst. Um den
Stil des Bildhauers besser zu erfassen, ist seine Reise nach Griechenland 1962
von zentraler Bedeutung: Ab diesem Zeitpunkt stellt er wieder den menschlichen
Körper in den Mittelpunkt seines Werkes. Dadurch vernachlässigt er die abstrakte
zugunsten einer surrealistischen Prägung, da er sich „wegen [seiner] Leidenschaft für Bilder“ (Ipoustéguy, Jahr unbekannt) mit dem Surrealismus eng verbunden
fühlt. Durch die Darstellung von verletzten oder leblosen Körpern stellt der
Bildhauer seinen eigenen Schmerz dar; sehr oft ist der Mensch seiner Umwelt
bzw. der industrialisierten Gesellschaft untergeordnet und wird vom Künstler mechanisiert. Mit einer großen Vielfalt
von Materialen geht der Bildhauer um. Indem er sog. „feste“ Materialen wie
Metall dafür benutzt, die Textur von Papier oder gewisse Spannungslinien
darzustellen, hinterfragt er die Ideen von Dauerhaftigkeit und Beständigkeit,
die eine zentrale Rolle in seiner Kunst spielen. Themen wie Eros und Tod bilden
auch einen Schwerpunkt seiner Arbeit.
Ipoustéguys Werk
behandelt Fragen, die alle Menschen beschäftigen: Durch seine Monumentalität
beruft es sich auf alte Traditionen und Mythen, ist aber auch ein „Appell an das Bewusstsein, die Widersprüche,
die Sorgen und die Fehler des modernen Menschen„ (Ipoustéguy, Jahr
unbekannt). Skulpturen wie L’homme (1963),
Le mangeur de gardiens (1970), Der Mensch baut seine Stadt vom
ICC-Platz in Berlin (1979), die vier Statuen des Louis-Pradel-Platzes in Lyon
(1982) oder A la santé de la révolution (1999)
erweisen sich hierbei als exemplarisch.
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