Donnerstag, 23. März 2017

Mitten im Atelier - Tina Born

In den Jahren 1971-72 wurde der große zentrale Raum des ehemaligen Atelierhauses am Käuzchensteig in acht kleinere Atelierräume unterteilt, um an KünstlerInnen vermietet zu werden. In unserer Reihe „Mitten im Atelier“ stellen wir einige dieser KünstlerInnen vor.
 
Tina Born und ihr Werk Pantograph im Atelier am Käuzchensteig. Foto: Mathias Hornung, 2008
Wie wenig andere KünstlerInnen spiegelt Tina Born die hervorragende Dynamik der Berliner Kunstszene wider. 1963 in Frankfurt geboren, studiert sie von 1988 bis 1996 Bildende Kunst an der Universität der Künste Berlin. 1996 wird sie Mitglied der Künstlergruppe Stadt im Regal, die sich mit „Stadtumbau, Architektur und Wohnen“[1] auseinandersetzt und an unterschiedlichen künstlerischen Zusammenarbeiten beteiligt ist. Von 2000 bis 2002 bekommt sie eine Lehrtätigkeit an der Universität Köln und ab 2014 in Zusammenarbeit mit Elfi Fröhlich einen Lehrauftrag an der Bauhaus-Universität Weimar. Ihre zahlreichen Aufenthalte und Arbeitsreisen ins Ausland haben sie zu einer weltweit anerkannten Künstlerin gemacht, was ihre bundesweite Teilnahme an Ausstellungen und auf internationaler Ebene verdeutlicht. Von 2006 bis 2011 arbeitete Tina Born im Atelier am Käuzchensteig. Das nachfolgende Interview gibt einen Einblick in ihr künstlerisches Schaffen und die Zeit im Atelier. 

Kunsthaus Dahlem: Tina Born, vielen Dank, dass Sie sich Zeit für dieses Gespräch nehmen. Wir beginnen schon mit Ihrer Arbeit im Atelier am Käuzchensteig: Wie würden Sie Ihre Zeit vor Ort beschreiben? Können Sie uns mehr über Ihr dort geschaffenes Werk „Pantograph“ sagen? 

Tina Born: Schon 2008 bei der ersten Besichtigung des Raumes mit seinen beeindruckenden Dimensionen war mir klar, daß ich an dem Ort auf jeden Fall raumbezogen arbeiten würde. Als sich die Auswahlkommission des BBK Atelierbüros[2] für mich entschied, konnte ich mein Glück kaum fassen. Ich hatte schon bei der Bewerbung für diesen speziellen Atelierraum ein Konzept mit angefügt, welche Art von Arbeiten ich mir dort vorstellen konnte. Mit dem Raum arbeiten heißt ja nicht nur, auf seine architektonischen Besonderheiten einzugehen, sondern den Ort in seiner Komplexität, seiner Geschichte, Veränderung und Umgebung zu erfassen. Ich verbrachte von Anfang an sehr viel Zeit in der ehemaligen Steinhalle, so daß ich mich in diesen ziemlich abgeschiedenen Ort im Grunewald „einfühlen“ konnte. 
  Ich erlebte den Raum und seine Umgebung, den Wald, zu verschiedenen Jahres- und Tageszeiten und Lichtbedingungen, kannte seine Geräusche, seinen Geruch und sogar einige Tiere. Hinter dem Gebäude wohnte eine Fuchsfamilie, ab und zu kam ein Eichhörnchen vorbei oder Vögel flogen ins Atelier. Solange es die Temperaturen zuließen stand das Eingangsportal, diese gigantische Eichentür, weit offen, so daß ich das Gefühl hatte, lediglich überdacht, im Freien zu arbeiten. Für mich war das einfach phantastisch. Ich habe kein Problem mit Abgeschiedenheit, auch nachts oder wenn es früh dunkel wurde, fühlte ich mich „allein im Wald“ in dieser Halle immer sehr wohl. Abgesehen davon war das Atelier im Käuzchensteig ein hervorragend eingerichtetes Bildhaueratelier, mit Lastenkran, perfektem Licht und natürlich immens viel Platz zur Entfaltung.
 

Pantograph. Foto: Silke Helmerdig, 2008
Ich begann sehr schnell, was meine eigene Arbeit anbelangt, in größeren Abmessungen zu denken und wollte mich auch dem Raum gegenüber behaupten. Wie wir wissen, ist die Entstehung des Ateliergebäudes mit der Nazi-Zeit verbunden. Ich habe mich damals öfter gefragt, ob Orte ein böses oder gutes Karma haben können. Die Geschichte des Ortes ist in einem Kontext von Nazi-Regime, Diktatur, Gewalt, Zensur, Staatskunst, Mitläufertum und Wahnvorstellungen zu sehen - für mich als Künstlerin eine extrem interessante Mischung. 
 Einerseits diese Verwunschenheit und Idylle des Ortes, so wie ich ihn damals empfand, auch die Mondänität, Imposanz und Musealität eines hallenartigen, lichten, zehn Meter hohen, teilweise mit Marmor und Eiche ausgestatteten Raums hatten ihre Wirkung. Andererseits lag aber unleugbar dieser Schatten über dem Ganzen. Beim Nachdenken über die Geschichte des Ortes und über den Staatskünstler und Bildhauer Arno Breker und darüber, was für eine künstlerische Arbeit ich dazu entwickeln könnte, wollte ich unbedingt vermeiden, mich dem Ganzen didaktisch oder vordergründig, plakativ zu nähern.   
 Ich denke, mir kam sehr zugute, daß ich wirklich Zeit hatte, den Ort auf mich wirken zu lassen. Das Ergebnis, die Installation „Pantograph“ [3] ist für mich eine Arbeit, die zunächst Fragen aufwirft und sich langsam erschließt. Sie bringt die Widersprüchlichkeit des Ortes zum Ausdruck. Außen - und Innenraum sind auf Grund der spiegelnden bzw. transparenten Flächen sinnlich erfahrbar, die Installation und der Ort werden zu einer Einheit und können mit ihren vielen Facetten auf den Betrachter wirken. Es gibt nichts Aufdringliches, nichts lautes, eher so eine fast zen-artige Ruhe und Klarheit und gleichzeitig etwas Trennendes, wie so ein scharfer Schnitt mit einem Skalpell.  
 
K.D: Von der Installation zur Collage, von der Skulptur zur Zeichnung: Die umfangreiche Vielfalt von Materialen und Techniken ist ein zentrales Merkmal Ihrer Arbeit. Wie würden Sie diese Auswahl erklären? Ist Ihnen eine bestimmte Ausdrucksweise besonders wichtig und warum? 

T.B: Eine bestimmte Ausdrucksweise ist mir natürlich wichtig. Genauer gesagt eine inhaltliche Aussage oder eine bestimmte Stimmung. Bei der Entstehung einer Arbeit nähere ich mich nicht vom Material, sondern thematisch und von der Idee her und überlege dann, welche Materialien am besten passen könnten. Manchmal bin ich aber auch in der Situation, wo ich mir diesen Luxus nicht erlauben kann. Dann muss ich einfach nehmen, was da ist. So entstanden beispielsweise die mit Textzitaten collagierten Stadtpläne in Paris.
 Für mich hat Kunst-machen sehr viel mit Wissensaneignung zu tun. Ich recherchiere sehr gerne, gehe zeitlich zurück und arbeite da für mich etwas auf. Ich nähere mich einer Arbeit zwar eher analytisch und über die Sprache, manchmal schreibe ich auch erst über eine Arbeit bevor ich sie realisiere, aber es ist mir sehr wichtig, daß die Arbeit für sich, also ohne Worte, stehen kann. Wenn eine Arbeit komplett deut- und erklärbar ist, ist sie tot. 

K.D: Ihre Kunst scheint mit der Natur eng verbunden zu sein – Sie benutzen Stoffe wie Holz, Baumstumpf, Ton, Feder oder Blätter, stellen Tiere und natürliche Elemente wie Sonne oder Spinnennetz dar und setzen manche Werke direkt in der Natur um. Wie würden Sie das Verhältnis zwischen Natur und Ihrer Kunst beschreiben? 
 
T.B: Ich realisiere manchmal Arbeiten in ländlichen, abgelegenen Orten, ohne über größere finanzielle Mittel, Atelier, Werkstatt, Helfer oder spezielles Werkzeug zu verfügen. Dann arbeite ich mit dem, was da ist: ein paar Palmen zwischen denen ich ein Netz spanne oder Baumblätter, in die ich meine Botschaft stanze. Es geht weniger um die Naturhaftigkeit, sondern um das Symbol, um die Metapher. Die Sonne als Allmachts-, der Baumstumpf als Memento Mori... Tatsächlich lebe ich völlig urban, mein tägliches Umfeld ist großstädtisch, aber in der Kunst zieht es mich offensichtlich in Regionen, die außerhalb meiner Alltagsrealität liegen: in die Vergangenheit, zu Inhalten, die mitunter wenig Beachtung finden oder im Verborgenen schlummern und an entlegene Orte im wörtlichen wie übertragenen Sinn.

Kunsthaus Dahlem. Foto: Tina Born, 2009
K.D: In Ihrem Werk „Horses“ zitieren Sie den tschechischen Schriftsteller Bohumil Hrabal (1914-1997), in „D&G“ den französischen Philosophen Gilles Deleuze, in „Grand Anse“ den Text des Liedes „I’m not done“ von Fever Ray… Welche Rolle spielen andere Kunstformen, wie die Musik und die Literatur, sowie die Philosophie in Ihrer eigenen Kunst? 

T. B: Eigentlich kann alles, was mir auffällt, mich beschäftigt oder berührt in die Arbeit mit einfließen: die Strophe eines Gedichts, ein Songtext, eine Beobachtung im Stadtraum (z.B. die gusseisernen Gebäudeschutz Vorrichtungen, die mir an Pariser Hausfassaden auffielen, was dann zu der Arbeit „Clôture“ führte), ein Ort, eine Biographie, wie die der von Sarah Winchester (1840 – 1922), die ein sehr eigentümliches Anwesen plante und realisieren ließ... Vielleicht hat mein Ansatz etwas Enzyklopädisches. 

K. D: Indonesien, Spanien, USA, Namibia… Seit dem Anfang Ihrer Karriere haben Sie die Gelegenheit gehabt, zahlreiche Aufenthalte und Arbeitsreisen ins Ausland zu realisieren. Welche Reise hat Sie und Ihre Kunst am meisten beeinflusst und warum?

T.B: Da gibt es keine Favoriten. Als ich das erste Mal weiter weg war zu einem Arbeitsaufenthalt, fiel es mir schwer, in relativ begrenzter Zeit und mit eingeschränkten Mitteln eine Arbeit zu realisieren. Es gibt Aufenthalte, da bin ich mit meinem künstlerischen output zufriedener, an anderen Orten ist kaum möglich vor Ort zu arbeiten. Man muss sich manchmal entscheiden: reist man rum oder bleibt an einem Ort und arbeitet. Manchmal geht ja auch beides, aber eben nicht immer. 


[1] Quelle: Website von Stadt im Regal http://www.stadtimregal.de/deutsch/sir/sir-about.html
[2] Siehe dazu http://www.bbk-kulturwerk.de/con/kulturwerk/front_content.php?idcat=93
[3] Wörtlich übersetzt: Allesschreiber, ein Gerät, das Bildhauer, so auch Arno Breker, verwendeten, um kleine Modelle oder Zeichnungen in größere Maßstäbe zu übertragen

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