Mittwoch, 29. Juli 2015

Körper, Menschenbild, Ideal und die Auseinandersetzung mit der Thematik des Exils



In der Antike glichen die Statuen Göttern und verkörperten ein Ideal. Der Körper wurde mit dem ihm verbundenen Menschenbild verglichen, jedoch nicht als zu erreichender Maßstab gesetzt. Die Statuen repräsentierten Götter, wobei diese göttliche Welt von der menschlichen getrennt blieb.  Die Geburt der Figuration steht im Lichte  unerreichbarer Schönheit des Körpers als eines Objekts der Bewunderung. Dieser jedoch hat keinen absoluten Wert an sich, sondern stellt nur ein Bild göttlicher Ästhetik dar: die Skulptur ist nur Kopie: „mimesis“. Die Gefahr, den Körper als Ideal zu formen, war in der Antike schon bekannt. Sobald dieses Ideal angestrebt wird oder gar zur Inszenierung von Macht instrumentalisiert wird, lauert schon bald die Gefahr der Zerstörung. Eine Annexion der göttlichen Ästhetik an menschliches Vorhaben wäre in der Antike der Wunsch den Göttern gleich zu sein. Walter Benjamin betrachtete in diesem Sinne die Kunst im Nationalsozialismus und stellte in seinem Aufsatz „Das Kunstwerk im Zeitalter seiner technischen Reproduzierbarkeit“ fest, dass diese Erfindung der Ästhetisierung von Politik gleicht. Ein Ideal besitzen zu wollen bedeutet die Negation alles anderen. Der Körper wird somit zum Schlachtfeld realer Verteilungskämpfe, er wird künstlerisch radikalisiert.  


Die Ästhetisierung von Herrschaft gilt schon seit Jahrzehnten als eine der wesentlichen Steuerungstechniken vor allem der Diktaturen des 20. Jahrhunderts und gehört damit zu den klassischen Themen der Kunstgeschichte. Die Totalisierung des Kunstbegriffs entstand durch das Bild des nicht mehr widerspiegelnden reproduzierenden, sondern des schöpferisch hervorbringenden Menschenwesens. Die griechische Idee der Figuration als „Mimesis“, als Bild, als Kopie war verloren. Das 1928 erschienene Buch „Kunst und Rasse“, in dem Paul Schultze-Naumburg die Figurenwelt  des malerischen Expressionismus  als „rassisch-minderwertig“ anprangert, zeugt vom Anfang einer Verschärfung des Nazifaschismus. Schon bald nach der Machtübernahme im Frühjahr 1933 wurden jegliche „modernen“ Bilder peu à peu anhand rassischer Argumente als Schandmale einer „undeutschen Negerkultur“ entfernt. Angesichts derartiger Diffamierungskampagnen zogen es Künstler wie zum Beispiel Theo Balden ins Ausland. Manche wie Otto Dix, die nicht freiwillig gingen, wurden von ihren bisherigen Stellen entfernt oder gar wie Uhlmann verhaftet. Die Herrschaft der nationalsozialistischen Kulturpolitik baute sich auf die Negation der anderen  Kunstrichtungen auf, im Kampf um die Macht des neuen Menschenbildes waren die Konzepte Körper und Ideal die Waffen.

Poster zur Ausstellung: Entartete Kunst, München, 1937.

 Bei all diesen Künstlern bleibt die Erfahrung des Exils, des inneren wie der Heimatlosigkeit eine Zäsur sowohl im persönlichen Erleben als auch im Prozess künstlerischen Schaffens. Diese komplexen Vorgänge versucht der Essayst Jean Améry, der diese Erfahrungen der Emigration mit vielen Künstlern teilte, in seinem Werk  Jenseits von Schuld und Sühne“ auf eine ganz persönliche, subjektive Art zu hinterfragen.

Für ihn ist Exil in erster Linie Verlust: Verlust im Räumlichen, im Zeitlichem, im Physischen, aber auch Verlust der Sprache. Dem Ich wird dadurch jede Sicherheit für immer entzogen!


                 „Wer das Exil kennt, hat manche Lebensantworten erlernt, und noch mehr Lebensfragen. Zu den Antworten gehört die zunächst triviale Erkenntnis, dass es keine Rückkehr gibt, weil niemals der Wiedereintritt  in einen Raum auch ein Wiedergewinn  der verlorenen Zeit ist.“  (Jean Améry)


Ein Teil der Ausstellung „Portrait Berlin. Künstlerische Positionen der Berliner Nachkriegsmoderne 1945-1955“ lädt ein sich mit dieser Thematik des Exils auseinanderzusetzen. Es werden Werke von Künstlern wie Theo Balden gezeigt, der den Krieg im Londoner Exil verbracht hat, oder von Hans Uhlmann, der von 1933 bis 1935 in der Justizvollzugsanstalt Berlin-Tegel inhaftiert war.





Amelie Fleury






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