Mittwoch, 8. Juli 2015

Vorstellung der Leihgaben des Kloster Unserer Lieben Frauen in Magdeburg: Künstlerdebatte und Ost-Westkonflikt im Berlin der 1950er Jahre



Figuration oder Abstraktion: welche Kunst kann die besten Antworten auf die Herausforderungen der Zukunft bringen? So lautet die hitzige Debatte, die um 1950 ausgetragen wird und im West- und Ostdeutschland der Nachkriegszeit geführt wird. In Berlin entbrannte diese zwischen dem neuernannten Direktor der neuen Hochschule für Bildende Kunst und erstem Präsidenten des wiedergegründeten Deutschen Künstlerbundes, Karl Hofer, als Verfechter eine figürlichen Kunst und dem Kunstkritiker Will Grohmann, Verfechter der abstrakten Kunst.

Gustav Seitz arbeitete unter Karl Hofer an der Hochschule für Bildende Künste in Berlin  und verkörperte  die figürliche Partei der Auseinandersetzung. Die figürliche Kunst mit der Natur als Ankerpunkt galt als unverfälscht, rein, frei und schön! Seitz erschuf eine das Leben bejahende Kunst, um nach der dunklen Vergangenheit eine schlichte, menschliche und ehrliche Welt zu erschaffen. Der Kalte Krieg trennte jedoch erbarmungslos die Stadt und ein starker Antikommunismus prägte die Westberliner Gesellschaft. Gustav Seitz wurde 1950 von seinem Posten an der Hochschule für Bildende Kunst entlassen, nachdem er sich 1950 zum Mitglied der in Ost-Berlin  wiedergegründeten Deutschen Akademie der Künste wählen ließ. Der Wählerische entstand genau in dem Zeitpunkt, als Seitz seine Anstellung verlor. In diesem Werk zeigt sich seine Suche, die er in den Formspielen zum Ausdruck bringt.

Zu sehen ist, wie der Kalte Krieg sich in alle Beziehungen und Lebensbereiche einnistet. Theo Balden hat ein ähnliches Schicksal aufzuweisen. In seiner Plastik Head of a Beaten Jude setzt er sich mit seiner eigenen Leidensgeschichte auseinander. Er wurde stark durch seinen Exilaufenthalt in Großbritannien während des zweiten Weltkriegs geprägt. Der Einfluss u.a. des Bildhauers Henry Moore ist in seinem Werk zu erkennen. Nach der Währungsreform entscheidet er sich zur Übersiedlung nach Ostberlin, was ihm zwar Erfolg im Osten bringt, aber seine Anerkennung im Westen kostet.


Und zuletzt ein paar Worte zu Ruthild Hahne. Immer zerrissen zwischen ihrer Idee einer idealen Gesellschaft und der Enttäuschung der realen Existenz, wurde das Politische schnell zum Zentrum ihrer Überlegungen. Durch ihre Beziehung zu Wolfgang Thiess, Widerstandskämpfer gegen die Nazis, kommt sie als Komplizin für vier Jahre ins Gefängnis. Thiess erschießt sich in seiner Zelle. Sein Tod bringt Ruthild Hahne dazu nach ihrer Zeit in Haft sich auf russisches Terrain zu begeben. Sie gelangt schnell zu Erfolg und setzt sich bei der Ausschreibung eines Denkmals auf dem Thälmann-, vorher Wilhelmplatz in Berlin-Mitte durch.  Das Denkmal sollte den historischen Neubeginn der DDR zur Schau stellen und Hahne machte es sich zur Aufgabe dieser neuen, besseren Gesellschaft ein Denkmal zu setzen. Fortan steht das Politische auch im Mittelpunkt ihrer Kunst. Sie arbeitet klassisch figürlich und wird zu einer der wichtigsten Bildhauerinnen der DDR. Ihr Traum wurde jedoch schnell von der Realität eingeholt, sie hat all die Jahre ins Leere gearbeitet: der vorgesehene Standort für das Denkmal ins Sperrgebiet geraten, wurde das Projekt mit dem Mauerbau zum scheitern verurteil.


Drei Künstler, drei Geschichten und eine Gemeinsamkeit: das Politische holte sie alle ein, und prägte ihre Arbeit. Die politischen Spannungen der Nachkriegszeit, ob in Ost- oder Westberlin waren omnipräsent. Die Frage, nach welcher Kunst man sich nun 1950 orientieren soll, und die Debatte über diese Frage werden im Grunde von einer viel tiefgründigeren Frage, nach dem Leben, das die Gesellschaft nun führen will, und von einer Debatte als Teil des politischen Kampfes zweier Ideologien überlagert. Die Künstler beziehen klar Position, wie zum Beispiel Ruthild Hahne oder Gustav Seitz in einer figürlichen Plastik. Position Beziehen bedeutet in diesem schwierigen Kontext auch Konsequenzen zu tragen: Erfolg im Osten bringt die Missgunst des Westens mit sich, was unsere drei Künstler alle erfahren haben. Der schwelende Ost-West Konflikt bringt zwei Lebensweisen und auch zwei klar getrennte künstlerische Positionen ans Licht.


Die Vorstellung weiterer Leihgaben wird folgen.


Amelie Fleury


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